
KI in der Praxis: So funktioniert die intelligente Produktionsplanung bei Bette
Badewannen, Duschflächen, Waschtische – das klingt nach Standardprodukten. Beim Badspezialisten Bette ist das Gegenteil der Fall. Über 25 Millionen Varianten kann das Delbrücker Unternehmen theoretisch fertigen. „Mehr als die Hälfte der Produkte werden bei uns auf Kundenwunsch individualisiert“, sagt Thilo Pahl, Geschäftsführer von Bette. Das bedeutet eine enorme Herausforderung für die Produktionsplanung, denn jedes Produkt belegt Maschinen unterschiedlich lange, durchläuft individuelle Fertigungsrouten und verändert ständig die Auslastung im Werk. Genau hier setzt das KI-gestützte Assistenzsystem an, das Bette gemeinsam mit der Hochschule Bielefeld, der Fachhochschule der Wirtschaft und der IG Metall im von it’s OWL initiierten Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus entwickelt hat. Wie es funktioniert und wie die Produktion bei Bette aussieht, zeigte das Familienunternehmen im Rahmen der Veranstaltungsreihe ‚it’s OWL trifft‘.
Aufgrund der Produktvielfalt und dadurch, dass die Produktion darauf ausgerichtet ist, die Produkte in Stückzahl eins in einem sehr hohen Automatisierungsgrad zu fertigen, erfolgen die Produktionsschritte bei Bette in einer individuellen Reihenfolge. Die Produkte belegen Maschinen und Arbeitsplätze unterschiedlich lang.
KI assistiert bei der Produktionsplanung
„Diese Komplexität macht es mit konventionellen Methoden der Arbeitsvorbereitung unmöglich, alle Arbeitsplätze gleichmäßig auszulasten. Es kommt zu Staus an einzelnen Maschinen und Arbeitsplätzen und so zu Belastungsspitzen, in denen die Beschäftigten stark gefordert sind“, sagt Marvin Mönikes, Leiter IT bei Bette.

Das hat sich nun geändert. Mit Hilfe von KI kann Bette die Belastung von Beschäftigten sowie die Auslastung von Arbeitsplätzen und Maschinen bis zu fünf Stunden im Voraus zu ermitteln.
Trainiert wurde das System mit Daten aus der Produktion. Neben der individuellen Seriennummer erhebt Bette beispielsweise Arbeitsvorräte, Maschinendaten und Maschinenparameter. Zudem ermöglichen in Echtzeit erhobene Daten später im betrieblichen Alltag eine sichere Prognose.
Die Ergebnisse des KI-Assistenzsystems fließen in die Arbeitsvorbereitung ein und unterstützen Mönikes und seine Kolleg:innen bei der Erstellung von Arbeitsplänen. Basierend auf den ermittelten Auslastungsprognosen können sie so gezielt Produkte mit unkritischen Arbeitsschritten zur Nivellierung der Arbeitsplatzauslastung einplanen.

Weniger Belastungsspitzen und Materialstau
„Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Belastungsspitzen für die Mitarbeitenden oder zu Materialstaus an Maschinen oder Arbeitsplätzen kommt, wird deutlich reduziert. Durch die Lösung treten somit Belastungsspitzen für Beschäftige nur noch selten auf. Verschiedene Tests haben gezeigt, dass sich mit dem Tool die tatsächliche Anlagenauslastung mit einer Genauigkeit von circa 95 Prozent für die nächsten fünf Stunden vorhersagen lässt. Das bedeutet, bei Fertigungsplänen, für welche die KI keine Staus vorhersagt, auch in der Realität zu mindestens 95 Prozent keine Staus auftreten werden“, sagt Mönikes. Derzeit entwickelt Bette die KI-Lösung aus dem Projekt selbstständig weiter.
Das ist ‚it’s OWL trifft‘
Bei ‚it’s OWL trifft‘ öffnen Unternehmen ihre Türen: In Vorträgen und Führungen durch Produktion, Entwicklung oder Showrooms geben sie einen Einblick in aktuelle Entwicklungen und Trends. Bei einem abschließenden Imbiss gibt es Raum für Gespräche und Austausch. ‚it’s OWL trifft‘ richtet sich an Geschäftsleitungen und Entwickler:innen aus Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstituten, Netzwerken und wirtschaftsnahen Organisationen.
Dass KI-Lösungen nicht nur für Großkonzerne interessant sind, sondern gerade im Mittelstand Wirkung entfalten können, war eine der zentralen Botschaften des Besuchs. Bei Bette profitieren Mitarbeitende dank KI von besser planbaren Abläufen, weniger Staus im Produktionsfluss und insgesamt von einem entspannteren Arbeitsalltag.
„Künstliche Intelligenz ist für uns kein Ersatz für den Menschen, sondern ein Werkzeug. Sie hilft unseren Mitarbeitenden dabei, schneller und fundierter zu entscheiden“, sagt Geschäftsführer Thilo Pahl.
Im persönlichen Austausch mit den Teilnehmenden wurde deutlich, dass viele Unternehmen vor ähnlichen Herausforderungen wie Bette stehen und von Projekten und dem Austausch im Netzwerk von it’s OWL profitieren könnten.
„Solche Projekte zeigen, wie leistungsfähig unsere Region ist. KI wird nicht nur erforscht, sondern kommt in der Praxis an, ganz konkret und mit spürbarem Nutzen für die Menschen in der Produktion“, sagt Günter Korder, Geschäftsführer des it’s OWL.
Wie die Fertigung bei Bette genau aussieht, erfuhren die Gäste bei einem Werksrundgang mit Geschäftsführer Thilo Pahl.