EASY: Embedded AI für Produktion und Logistik
In vielen technischen Problemstellungen werden datenbasierte Verfahren unter Nutzung massiver Rechenleistungen in der Cloud eingesetzt. Die Übertragung und Verarbeitung der Datenmengen in die Cloud ist aufgrund der hohen Auflösung für Maschinendaten oftmals weder wirtschaftlich noch ressourcentechnisch sinnvoll, oder aus Datenschutzgründen gar nicht erst erwünscht. Die Umsetzung modernster KI-Technologien auf ressourcenbeschränkten Embedded und Edge Devices bietet für Produktionsanlagen mit umfangreichen Mengen an hochaufgelösten Sensordaten daher besonderer Potenziale durch den robusten Einsatz datengetriebener Algorithmen in unmittelbarer Systemnähe.
Daher wird im Innovationsprojekt EASY – „Embedded Artificial Intelligence for Production Systems“ am Beispiel zweier Use Cases an der Entwicklung laufzeitoptimierter Machine Learning Algorithmen zur dezentralen Prädiktion des Maschinenverhaltens geforscht. Neben dem intelligenten Rüsten von Profilummantelungsanlagen mit der düspohl Maschinenbau GmbH untersucht das Fraunhofer IEM gemeinsam mit der encoway GmbH die vorausschauende Wartung ausfallkritischer Komponenten für Hochregallager im Use Case Predictive Maintenance.
Was sind Embedded und Edge Devices?
Die Funktion von Embedded Devices ist es, spezifische Überwachungs- oder Steuerungsaufgaben innerhalb eines technischen Systems oder Produkts auszuführen. Sie sind in der Regel für eine bestimmte Anwendung oder einen bestimmten Zweck konzipiert und in komplexere Geräte oder Systeme integriert, um diese Funktionen zu erfüllen. In Bereich Smart Home werden Embedded Devices beispielsweise mit anderen Geräten verbunden um Aufgaben wie die Steuerung von Beleuchtung oder Heizung sowie anderen Funktionen zu übernehmen.
Edge Devices sind kleine, leistungsstarke Geräte, die an der Schnittstelle eines Netzwerks betrieben werden, um Entscheidungen an andere Systeme weiterzuleiten. Sie werden häufig verwendet, um Daten von Sensoren und anderen IoT-Geräten zu sammeln und gezielt zu verarbeiten, bevor sie an ein übergeordnetes System wie eine Rechenzentrale oder eine Cloud weitergeleitet werden. So können Reaktionszeiten minimiert und Netzwerkkosten reduziert werden.
Darum geht es im Use Case Predictive Maintenance
Als Teil der Lenze-Gruppe realisiert die encoway GmbH insbesondere durch das Digital- und Innovationslabor DOCK ONE digitale Produkte und Dienstleistungen. In dem erst kürzlich eröffneten Mechatronics Competence Campus der Firma Lenze werden beispielsweise hochauflösende Sensordatenströme aus modernsten antriebstechnischen Systemen wie Regalbediengeräten (RBG) in Hochregallagern erfasst. Diese stehen als Datengrundlage für Predictive Maintenance Lösungen zur Verfügung.
Das wesentliche Ziel dabei im Rahmen des Projektes EASY: Kritische Abnutzungen und Schäden von ausfallkritischen Komponenten im Vorfeld zu prädizieren, um eine vorausschauende Instandhaltung zu ermöglichen. Dazu wurde im Projekt bereits eine geeignete Infrastruktur aus Sensoren und Embedded bzw. Edge Devices entwickelt.
Einen erfolgslimitierenden Faktor für die Anwendung von KI in der Zustandsüberwachung stellen die oftmals viel zu geringen Datenmengen für explizite Ausfallzustände dar. Dies liegt zum einen daran, dass Komponenten in der industriellen Praxis sicherheitshalber oft weit vor dem Ende ihrer Lebensdauer ausgetauscht werden. Zum anderen ergeben aufgrund der umfangreichen Wechselwirkungen in fördertechnischen Anlagen sehr komplexe Zustandsdatenräume. Ein robuster Einsatz datengetriebener Ansätze zur Prädiktion erfordert daher zumeist derart umfangreiche Mengen an Beispieldaten, wie sie in den meisten praktischen Anwendungen niemals oder erst nach langem Betrieb hervorgehen. Aus diesem Grund beschäftigt sich das Fraunhofer IEM gemeinsam mit den Industriepartnern in einem weiteren wesentlichen Bestandteil des Projektes mit der Integration von Expertenwissen in Lernverfahren.
Demonstrator zum KI Wissenstransfer in der Zustandsdiagnose und -prädiktion
Beim Einsatz von KI-Verfahren in der technischen Zustandsdiagnose stellt die Verfügbarkeit von Fehlerdaten aus dem Betrieb in der Regel den Performance-limitierenden Faktor dar. Um die Entwicklung der dezentral lauffähigen Algorithmen trotzdem gezielt voranzutreiben, bietet die Nutzung von Demonstratoren enorme Potenziale.
Daher wurde bei der Firma Lenze ein realitätsnaher Nachbau eines RBGs entwickelt und mit den im realen Hochregallager verbauten Embedded und Edge Devices ausgestattet. Die Nutzung dieses Demonstrators bietet neben der Erprobung der digitalen Infrastruktur mitsamt Kommunikation die Möglichkeit, Ausfall- und Verschleißdaten kostengünstiger und in deutlich größerer Menge als in der realen Anwendung zu akquirieren. So können Komponenten gezielt geschädigt oder abgenutzt werden, um schnell repräsentative Datenmengen für Verschleißmechanismen zu generieren. Weiterhin dient der Demonstrator zur iterativen Erprobung und Optimierung der KI-Algorithmen hinsichtlich ihrer Laufzeitfähigkeit auf ressourcenbeschränkter Hardware.
Aus der Nutzung des RBG-Demonstrators resultiert aber auch eine weitere wissenschaftlich hochrelevante Fragestellung: Wie kann das aus den Demonstrator-Daten verfügbare Systemwissen im Sinne eines Transfer Learnings auf die realen RBGs übertragen werden, um dort die Prädiktionsgüte der Maschine Learning Algorithmen auf den spärlich vorhandenen Datenmengen zu erhöhen. Daher wird im Projekt auch untersucht, inwiefern Expertenwissen im Sinne von Modellen und digitalen Zwillingen nicht nur in Form hybrider Modellbildung den KI-Entscheidungsprozess unterstützen kann, sondern auch, ob die Berücksichtigung des Modellwissens den KI-Wissenstransfer von Demonstrator auf Realanwendung entscheidend verbessern kann.
Deutsch-kanadische Austausch zur KI-Forschungsthemen
Im Bereich der forschungstechnischen Fragestellungen lebt das Projekt EASY stark von der deutsch-kanadischen Zusammenarbeit mit dem ACIS-Lab der University of Victoria unter der Leitung von Prof. Dr. Homayoun Najjaran. In regelmäßigen Workshops werden die im Projekt sowohl auf kanadischer als auch auf deutscher Seite relevanten Forschungsfragen diskutiert.
Für den Use Case Predictive Maintenance ergibt sich aus der Kooperation die Möglichkeit, aktuelle Forschungsthemen der Partner zu kombinieren. Während das IEM gemeinsam mit encoway den KI-Entscheidungsprozess unter Zuhilfenahme von Expertenwissen untersuchen, können die kanadischen Partner KI-basierte Verfahren zur synthetischen Generierung von Fehlerdaten für unbekannte Systemzustände beisteuern. Diese synthetischen Daten können ebenfalls zum Training einer KI zur Zustandsprädiktion im realen Hochregallager verwendet werden.
Zusammenfassung
Im weiteren Verlauf des Projektes werden die entwickelten KI-Algorithmen für die gezielte Nutzung auf Embedded und Edge Devices optimiert. Für den Use Case Predictive Maintenance gilt es dabei die KI-Algorithmen laufend auf den Daten des betrachteten Hochregallagers zu trainieren. Für eine gezielte Vorverarbeitung von Daten sowie die Optimierung der Verfahren hinsichtlich Laufzeit und Dateneffizienz ist die Nutzung von Demonstrator-Daten von entscheidender Bedeutung. Die dabei aus dem Projekt gewonnenen Ergebnisse sollen zukünftig nicht nur die wirtschaftliche Verwertung durch die Industriepartner ermöglichen, sondern auch einen breiten Transfer von Embedded KI in die industrielle Praxis fördern.