Interview: Erweiterte Realität in der Ausbildung bei Miele

Wie sieht die Zukunft der technischen Ausbildung bei Miele aus? Im Interview mit Thomas van den Bongard, verantwortlich für die Aus- und Weiterbildung bei Miele, sprechen wir über die Arbeiten im it’s OWL Projekt ‚Intelligente Assistenz für die technische Ausbildung (iAtA)‘ und die Vorteile von Assistenzsystemen der erweiterten Realität für Miele.

Welche Vorteile verspricht sich Miele von Assistenzsystemen der erweiterten Realität in der technischen Ausbildung?

Thomas van den Bongard: Die Nutzung des Assistenzsystems bietet hohes Flexibilisierungspotential auf mehreren Ebenen im Bereich der technischen Ausbildung.

Erstens können Ausbilder:innen die Lerninhalte selbst auf einer Plattform generieren und für das Assistenzsystem bereitstellen. Somit können die zu vermittelnden Ausbildungsinhalte an die Ausbildungssituation bei Miele angepasst, erweitert oder durch neue Inhalte ersetzt werden. Zweitens wird so das Verhältnis zwischen Ausbildern und Auszubildenden flexibler gestaltet, in dem orts- und zeitunabhängig Lerninhalte von den Ausbildern in der Systemplattform hinterlegt sowie von den Auszubildenden konsumiert werden.

Drittens soll das System die Lernunterstützung an die Qualifikationsstufe der Auszubildenden anpassen. Auszubildende mit wenig Erfahrung in der zu erlernenden Tätigkeit erhalten mehr Unterstützung im Vergleich zu erfahreneren Auszubildenden, wobei weiterhin die Möglichkeit besteht, das Ausmaß der Unterstützung selbst während der Systemnutzung anzupassen. Das Assistenzsystem trägt also dazu bei, den Auszubildenden bei Miele eine ideale Förderung zu ermöglichen und genau das ist unser Anspruch bei Miele.

 

Wie sieht das Assistenzsystem genau aus?

Thomas van den Bongard: Im aktuellen Projektfortschritt beschäftigten wir uns mit der Entwicklung und dem Vergleich von zwei Hardwarelösungen für die Assistenz durch erweiterte Realität; einem Tablet sowie einer Mixed-Reality-Brille. Beide Lösungen haben auf den ersten Blick Vor- und Nachteile.

Die Mixed-Reality-Brille hat für den Dauereinsatz ein sehr hohes Gewicht, jedoch besteht der Vorteil, dass gerade im Bereich der technischen Ausbildung beide Hände frei sind und genutzt werden könne, um die Übungsaufgaben direkt an der Maschine lösen zu können. Außerdem werden die Inhalte über die Brille stets im Blickfeld der Nutzenden dargestellt.

Bei der Nutzung des Tablets müssen die Auszubildenden das Gewicht der Hardware nicht selbst tragen, sondern werden über flexible Stativarme unterstützt, jedoch kommen zusätzliche Aufwände für die Positionierung des Tablets an den Maschinen und Werkstücken sowie die wechselnde Fokussierung von Tabletbildschirm und dem realen Setting hinzu. Beide Hardwarelösungen wollen wir in mehreren Anwendungsfällen der technischen Ausbildung testen und vergleichen, um so den Mehrwert situationsspezifisch ableiten zu können.

Welche Vorteile bietet das Assistenzsystem für Ausbilder:innen?

Thomas van den Bongard: Neben der konkreten Hardware bietet das Assistenzsystem darüber hinaus den Vorteil, Aufgabenprozesse und die dazugehörigen Lerninhalte selbst in einer Plattform zu erstellen und anzupassen. Die Ausbilder:innen können so eigenständig die Prozesse der Übungsaufgaben an den Maschinen unserer Ausbildungswerkstätten in der Plattform hinterlegen sowie durch Miele-spezifische Informationen ergänzen. Sollten sich die Ausbildungsinhalte verändern, können diese Anpassungen selbst über die Plattform vorgenommen werden, sodass eine nachhaltige Verwendung des Assistenzsystems sichergestellt ist.

Das Assistenzsystem entwickeln Sie in Zusammenarbeit mit der Uni Bielefeld und dem Fraunhofer IOSB-INA im Rahmen von it’s OWL. Welche Vorteile entstehen durch die Zusammenarbeit von Miele und den Forschungspartner und wie hilft Ihnen das Technologie-Netzwerk dabei?

Thomas van den Bongard: Ein Novum im Projekt ist neben der technischen Realisierung des Assistenzsystems sicherlich die Zusammensetzung des Konsortiums. Neben den technischen Forschungspartnern des CoR-Labs und Fraunhofer IOSB-INA sind noch zwei Lehrstühle der Abteilung für Psychologie der Universität Bielefeld beteiligt.

So werden die Auswirkungen der digitalen Transformation der Ausbildung auf die Ausbilder und Auszubildenden durch den Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie berücksichtigt, um auch zukünftig eine motivierende und zufriedenstellende Arbeitsgestaltung garantieren zu können. Die Überprüfung des Lernerfolgs durch die Nutzung des Assistenzsystems durch die Arbeitseinheit für Bildungspsychologie ist eine absolute Neuheit in den von it’s OWL geförderten Projekten und ein Alleinstellungsmerkmal für unser Vorhaben. Neben Miele profitieren auch die Unternehmen Böllhoff und Phoenix Contact von diesem Know-How im Projekt.

Darüber hinaus haben wir mit der technischen Ausbildung ein Anwendungsgebiet ausgewählt, welches sich in zahlreichen kleinen und mittelständischen Unternehmen finden lässt. Der Transfer unserer Projektergebnisse in die ostwestfälische Wirtschaft ist somit gewährleistet und wünschenswert.

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