„SE-Einführung – das richtige Mindset ist entscheidend“

In der Konzipierung und Entwicklung von Montageanlagen setzt HARTING auf Systems Engineering. Drei Jahr lange arbeitete das Unternehmen im it’s OWL Projekt SE4OWL daran, Systems Engineering im Mittelstand einzuführen und zu verstetigen.

Rebecca Heitmann, Systems Engineer bei HARTING Applied Technologies und verantwortlich für die Einführung von Model-based Systems Engineering, spricht im Interview darüber, wie sich das Thema bei HARTING entwickelt hat, auf welche Tools ihr Unternehmen aus dem Projekt setzt und welchen Vorteil kleine- und mittlere Unternehmen im Vergleich zu größeren Unternehmen bei der Einführung von Systems Engineering haben.

 

 

In welchen Bereichen nutzen Sie in Ihrem Unternehmen bereits Systems Engineering?

Rebecca Heitmann: Wir, als Anlagenbauer von Produktionssystemen in der HARTING Technologiegruppe, setzen Systems Engineering in der Konzipierung und Entwicklung unser Montageanlagen ein. Dabei betrachten wir die zu entwickelnden Systeme bereits in der Konzeptphase modellbasiert. Das hilft uns unsere Anlagen bereits frühzeitig sowohl in ihrer Struktur als auch in ihrem Verhalten systematisch zu betrachten und zu verstehen.

 

Seit wann arbeitet HARTING mit SE?

Rebecca Heitmann: Bereits im Jahr 2015 haben wir zum ersten Mal in das Thema Modellbasiertes Systems Engineering (MBSE) „hineingeschnuppert“. Damals fehlte allerdings noch der richtige Ansatz und vor allem auf uns zugeschnittene Methoden und Werkzeuge. Im Laufe der Jahre haben wir dann begonnen, die Prozessabläufe innerhalb der Montageanlagen modellbasiert zu beschreiben. Dies war ein guter Einstieg, um zu zeigen wie Modelle das Verhalten der Anlagen beschreiben können. Im Jahr 2020 haben wir dann auch durch Unterstützung aus dem Projekt SE4OWL begonnen den gesamten Entwicklungsprozess gemäß der SE-Philosophie zu betrachten und entwickelten für die Einführung eine Roadmap. Seit Mitte 2022 wenden wir in allen Neuentwicklungsprojekten in den ersten Phasen des Entwicklungsprozesses MBSE an. Und die späteren Phasen werden zukünftig nach und nach durch MBSE unterstützt.

 

Welche konkreten Herausforderungen haben Sie mit dem Projekt SE4OWL gelöst?

Rebecca Heitmann: Das Projekt hat uns geholfen, die ganze Bandbreite der SE-Einführung zu verstehen und dabei neben der unternehmensspezifischen Entwicklung von Methoden und Tools die Anpassung der Organisation sowie die Befähigung der Mitarbeiter nicht zu vernachlässigen. Außerdem hat es uns unterstützt die Einführung systematisch zu planen, sodass SE nachhaltig eingeführt werden kann.

 

Was sind für Sie die wichtigsten Learnings, die Sie aus dem Projekt für Ihr Unternehmen mitnehmen?

Rebecca Heitmann: Die Einführung von MBSE ist ein wichtiger Schritt im Digitalen Wandel. Die Verwendung von Modellen anstelle von Dokumenten und die Harmonisierung sämtlicher Prozesse ist eine unabdingbare Veränderung, wenn man zukünftig am Markt bestehen will. Dies geht aber nicht ohne die Menschen. Sie müssen einen hohen Stellenwert in der Transformation haben.

 

KMU sollten nicht erst auf die Erfahrungen der anderen warten, um den Nutzen von SE zu erkennen und anzufangen.

– Rebecca Heitmann, Systems Engineer bei HARTING Applied Technologies

Was ist für Ihr Unternehmen das Erfolgsrezept für die SE-Einführung?

Rebecca Heitmann: Die Anwender:innen frühzeitig einbeziehen, sodass sie den Gesamtnutzen verstehen, sich nicht übergangen fühlen und im besten Fall mitgestalten können. Das richtige Mindset ist dabei entscheidend. Außerdem ist es wichtig, SE-Expert:innen im eigenen Team zu haben oder eine entsprechende Expertise frühzeitig aufzubauen. Die Anwender:innen brauchen Ansprechpartner, die Branchenkenntnis haben – also ihr „Problem“ verstehen – und jederzeit verfügbar sind. Dies können externe Berater:innen häufig nicht allein leisten.

 

Wo sehen Sie noch weiteren Verbesserungs- und Forschungsbedarf?

Rebecca Heitmann: Um das Thema Nachhaltigkeit kommt aktuell niemand herum. Hier gibt es aus meiner Sicht großes Potential, mithilfe von MBSE die technischen Systeme nachhaltiger zu gestalten. Ein Muss, um Ressourcen zu sparen und die gesetzlichen Anforderungen und Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Dazu ist aktuell bereits das it’s OWL Förderprojekt „Sustainable Lifecycle Engineering (SLE)“ gestartet. Auch hier wieder mit Beteiligung durch HARTING.

 

Welche der erarbeiteten Hilfsmittel fanden Sie am nützlichsten? Gibt es weitere Bereiche, in denen Ihnen noch Unterstützung fehlt?

Rebecca Heitmann: Viele der einzelnen Hilfsmittel zur Einführung von SE, die im Projekt entwickelt wurden, konnten wir direkt für unser Vorhaben nutzen – und unser Feedback dann auch ins Projekt zurückspielen. Dabei haben wir beispielsweise das SE-Reifegradmodell genutzt, um unseren Leistungsstand zu bewerten und eine Roadmap für die SE-Einführung abzuleiten. Diese nutzen wir bis heute, um unseren Fortschritt regelmäßig zu bewerten und weitere Schritte zu definieren.

 

Welche besonderen Herausforderungen haben KMU bei der Einführung von SE?

Rebecca Heitmann: KMU haben häufig Schwierigkeiten ausreichend Ressourcen für die Einführung bereitzustellen. Doch die Erwartungshaltung „SE kann einfach neben dem Tagesgeschäft eingeführt werden“ ist aus unserer Sicht nicht erfolgsversprechend. Die Prioritäten müssen richtig gesetzt werden und das Management muss dieses auch vollumfänglich unterstützen. Allerdings: in KMU sind die hierarchischen Strukturen üblicherweise flacher als in großen Konzernen. Daher sind auch die Anwender:innen häufig besser erreichbar. Dies sollte man sich zu Nutze machen.

 

Worauf sollten vor allem KMU bei der Einführung von Systems Engineering achten?

Rebecca Heitmann: Das Thema LEAN spielt auch im Systems Engineering bei der Gestaltung der Methoden und Tools eine große Rolle. Die Anwendung sollte einfach sein und der Fokus auf dem Nutzen der Ergebnisse liegen. Und KMU sollten nicht erst auf die Erfahrungen der anderen warten, um den Nutzen von SE zu erkennen und anzufangen.

 

Gibt es etwas, was Sie im Projekt hervorheben möchten?

Rebecca Heitmann: SE4OWL kam für uns genau zum richtigen Zeitpunkt. Das Projekt hat uns die notwendigen Hilfsmittel an die Hand gegeben, um SE zu verstehen und für uns zu gestalten. Vielen Dank auch an dieser Stelle nochmal seitens HARTING für die hervorragende Zusammenarbeit mit allen Projektpartnern.

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