„Wir erkennen immer mehr den Nutzen von Systems Engineering“

Die Entwicklung von Produkten in der Industrie wird sich immer mehr verändern: Intelligente Produkte und digitale Services erfordern ein Zusammenspiel unterschiedlicher Fachdisziplinen. Systems Engineering verzahnt diese Disziplinen, um Produkt und Produktionssystem über den ganzen Lebenszyklus als Einheit zu betrachten. Im it’s OWL Projekt SE4OWL geht es darum, diese neue Herangehensweise im Mittelstand einzuführen und zu verstetigen.

Vivien Hillmann, Requirements Engineering Expertin bei der CLAAS KGaA mbH, spricht im Interview über die Erfolge des it’s OWL Projekts, die Einführung von Systems Engineering bei CLAAS und gibt Tipps wie auch andere Unternehmen Systems Engineering für sich nutzen können.

 

In welchen Bereichen nutzen Sie in Ihrem Unternehmen bereits Systems Engineering?

Vivien Hillmann: Aktuell werden einzelne Teilbereiche des Systems Engineering bei uns im Unternehmen eingeführt. Im Projekt SE4OWL haben wir uns auf das Thema Requirements Engineering fokussiert, welches in allen Business Units eingeführt wird. Am intensivsten ist die Nutzung aktuell in Bereichen mit hohen Elektrik-, Elektronik-, beziehungsweise Softwareanteilen. Doch auch andere Bereiche in diesem Umfeld erkennen mehr und mehr den Nutzen von SE.

 

Seit wann arbeitet Ihr Unternehmen mit SE?

Vivien Hillmann: In den Elektrik- und Elektronikbereichen begann die Einführung erster SE-Ansätze mit dem Requirements Engineering 2014. Aufbauend auf die ersten Erfolge wurde 2016 ein Projekt aufgesetzt, die Methoden und Werkzeuge auch auf Maschinenprojekte auszuweiten. Mit dem Requirements Engineering wurden von Anfang an Ansätze des Systems Engineering eingeführt.

 

Was ist Requirements Engineering?

Vivien Hillmann: Requirements Engineering ist der Prozess, bei dem die Anforderungen an ein Produkt, System oder Software erfasst, analysiert, dokumentiert und verwaltet werden. Ziel ist es, die Bedürfnisse der Stakeholder präzise zu verstehen und in klare Anforderungen umzusetzen.

Durch Interviews, Workshops und andere Techniken werden die Anforderungen identifiziert und spezifiziert. Sie werden dokumentiert, um eine klare Basis für die Entwicklung zu schaffen, und Änderungen werden sorgfältig verwaltet. Durch eine gute Durchführung des Requirements Engineering werden Fehler vermieden und qualitativ hochwertige Produkte entwickelt, die den Bedürfnissen der Benutzer entsprechen.

 

Welche konkreten Herausforderungen haben Sie mit dem Projekt SE4OWL gelöst?

Vivien Hillmann: Zwar lagen nach dem Projekt zum Übertragen von Requirements Engineering auf Maschinenprojekte eine initiale Methode und Werkzeug vor, die Herausforderung bestand jedoch darin, die Denkweisen und das Handeln vieler Mitarbeiter:innen bei CLAAS zu verändern. Dazu waren Detaillierungen der Methoden und Schulungen notwendig. Zudem ist es herausfordernd, die Unterstützung und Trainings der Anwender:innen zu skalieren.

 

Was sind für Sie die wichtigsten Learnings, die Sie aus dem Projekt für Ihr Unternehmen mitnehmen?

Vivien Hillmann: Die enge Zusammenarbeit mit den anderen Konsortialpartnern hat gezeigt, dass wir alle vor sehr ähnlichen Herausforderungen stehen. Der Austausch und die Vernetzung untereinander haben interessante Impulse für die eigenen Herausforderungen im Unternehmen gegeben. Darüber hinaus konnten wir insbesondere Ergebnisse aus dem Handlungsfeld 3 dazu nutzen das Thema Qualifizierung von Mitarbeiter:innen deutlich auszubauen.

 

Was ist für Ihr Unternehmen das Erfolgsrezept für die SE-Einführung?

Vivien Hillmann: Ein starker und naher Support von unseren Pilotprojekten hat sich als extrem wichtig erwiesen. Die Einführung von Requirements Engineering erfordert teilweise einen starken Change im Mindset der Mitarbeiter:innen.

Da SE ein recht komplexes Thema ist, sollten KMU sich im ersten Schritt auf einen Aspekt des SE konzentrieren und diesen einführen.

– Vivien Hillmann, Requirements Engineering Expertin bei der CLAAS KGaA mbH

 

Wo sehen Sie noch weiteren Verbesserungs- und Forschungsbedarf?

Vivien Hillmann: Bisher haben wir uns stark auf die Einführung des Requirements Engineerings als Teilaspekt von Systems Engineering konzentriert. In Zukunft soll Modellbasiertes Systems Engineering (MBSE) im Gesamten betrachtet werden, sodass wir dem User eine Vision in Form eines Demonstrators vorlegen können.

 

Welche der erarbeiteten Hilfsmittel fanden Sie am nützlichsten? Gibt es weitere Bereiche, in denen Ihnen noch Unterstützung fehlt?

Vivien Hillmann: Insbesondere die Methoden rund um Handlungsfeld 3 haben wir intern validiert. Auch das Reifegradmodell und der Methodenkoffer haben uns weitergeholfen.

 

Welche besonderen Herausforderungen haben KMU bei der Einführung von SE?

Vivien Hillmann: Da SE ein recht komplexes Thema ist, sollten KMU sich im ersten Schritt auf einen Aspekt des SE konzentrieren und diesen einführen. Es erfordert einen gewissen Initialaufwand und Ressourcen im Support, um eine erfolgreiche Einführung zu gewährleisten. Damit gehen Kosten einher, die nicht direkt zu einem Return on Investment führen.

 

 

Worauf sollten vor allem KMU bei der Einführung von Systems Engineering achten?

Vivien Hillmann: Wie bereits erwähnt, sollten sich KMU Schritt für Schritt an die Einführung von SE herantasten. Es bedarf einer genauen Analyse der Prozesse im Unternehmen als Vorbereitung. Die neuen Methoden, Prozesse und Tools sollten daran angepasst werden, sodass sich die Anwender:innen und das Management wiederfinden. Bei uns hat sich gezeigt, dass sowohl die Einstellung des Managements als auch das direkte Feedback der Anwender:innen zu einem starken Stimmungsbild zu SE führen.

 

Gibt es etwas, was Sie aus dem Projekt hervorheben möchten?

Vivien Hillmann: Die erarbeiteten Handlungsleitfäden beruhen auf direkten Input der Industrie. Sie sind validiert und durch die klare Strukturierung sowie praxisnahe Beispiele auch für Unternehmen geeignet, die gerade beginnen sich mit dem Thema SE zu beschäftigen. Wie schon erwähnt ist auch die Zusammenarbeit im Konsortium hervorzuheben. Die Zusammenarbeit und der enge Austausch haben den Blick aus dem Unternehmen nach Außen gerichtet. Daraus ließen sich spannende Anregungen für das eigene Unternehmen ableiten.

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