Innovationsprojekt InSensEPro: Was haben wir vor?

Wie kann der Ernteprozess eines Mähdreschers besser überwacht werden? Wie kann man den Fahrer weiter entlasten? Was passiert eigentlich im Mähdrescher genau? Mit diesen Fragen beschäftigen wir uns von CLAAS und der Uni Bielefeld im Projekt InSensEPro. Unterstützt werden wir dabei im Bereich Sensorik vom Unternehmen Müller-Elektronik.

Was macht eigentlich ein Mähdrescher?

Die Aufgabe eines Mähdreschers ist das Ernten von Getreide. Für die verschiedenen Erntebedingungen und Feldgrößen gibt es verschiedene Mähdrescherklassen und Schneidwerksbreiten. Der LEXION 8900 TERRA TRAC, die größte Mähdrescher-Bauserie von CLAAS, kann mit einem 13,8 m breiten VARIO Schneidwerk dabei bis zu 120 t/h an Getreide ernten. Dabei umfasst das Ernten gleich mehrere größere Teilaufgaben: Zunächst muss die Pflanze auf dem Feld mit dem Schneidwerk abgeschnitten werden, um sie der Erntemaschine im Innern zuführen zu können. Anschließend wird das Getreide im Dreschaggregat (1) gedroschen. D. h. die Körner werden physisch von der Pflanze getrennt. Im Abscheideaggregat (2) und in der Reinigung (3) werden mithilfe von Sieben und Luftströmungen die Körner von den restlichen Pflanzenbestandteilen wie unterschiedlichen langen Strohresten und Spelzen in mehreren Stufen entmischt. Das gereinigte – also von allen Pflanzenbestandteilen befreite – Korn wird im Korntank (4) gespeichert und kann mithilfe des Abtankrohrs auch während des Erntevorgangs in Hänger übergeladen werden.

Erntemaschine

Die restlichen kleinen Pflanzenbestandteile wie Spelzen werden auf das Feld zurückgeworfen und verteilt (5). Die langen Strohreste können je nach Bedarf entweder als Schwad abgelegt werden oder mit einem am Heck des Mähdreschers integrierten Strohhäcksler (6) verkleinert und anschließend wie die Spreu über Radialverteiler (7) auf dem Feld verteilt werden.

Was ist am Ernteprozess jetzt so kompliziert?

Die Felder sind sehr oft nicht homogen. Das bedeutet, dass auf einem Feld durch Bodeneinflüsse, Wasserstellen, Schattenbildungen oder auch durch unterschiedliche Bewirtschaftung des Feldes die Pflanzen in Größe und ihre Ähren in ihrer Kornzahl und Korngröße stark variieren können. Somit ist es nicht möglich, mit einer festgelegten Maschineneinstellung einfach ins Feld zu fahren. Der Ernteprozess muss also beobachtet und bewertet werden und der Mähdrescher an die jeweiligen Bedingungen im Feld angepasst werden.

Für den Erntevorgang gibt es für die verschiedenen Aggregate vom Schneidwerk über Dreschwerk und Reinigung, bis hin zu den Strohverteilern verschiedenste Einstellungen. Dabei beeinflussen die Aggregate sich gegenseitig. D. h. bei einer Änderung einer Einstellung eines einzelnen Aggregats ändern sich auch die Bedingungen für alle anderen Aggregate. Aus diesem Grund kann man nicht unabhängig voneinander Einstellungen vornehmen, sondern muss immer den Gesamtprozess beachten.

Des Weiteren gilt auch nicht „schneller ist immer besser“. Die Einstellungen haben in den meisten Fällen eher quadratische Einflüsse. Betrachtet man beispielsweise das Gebläse, das durch Erzeugung eines Luftstroms kleine Pflanzenteile von den Körnern zu trennen versucht, ist es das Ziel, dass die leichten Pflanzenbestandteile nach hinten fliegen, um dort auf das Feld verteilt zu werden. Körner sind schwerer und fallen nach unten in die Kornschnecke zur Beförderung in den Korntank. Wenn das Gebläse nun zu stark eingestellt ist, fliegen die Körner zusammen mit den Pflanzenteilen hinten aus dem Mähdrescher. Ist das Gebläse zu schwach eingestellt, fallen die Pflanzenteile mit den Körnern zusammen nach unten und die Körner landen ungereinigt im Korntank. Die optimale Gebläsedrehzahl liegt somit zwischen diesen beiden Zuständen.

Was macht der Fahrer und was ist CEMOS?

Der Fahrer des Mähdreschers hat mehrere Aufgaben zugleich: Zum einen muss er das sogenannte Vorfeld beobachten, um den Mähdrescher sicher über das Feld zu manövrieren. Im Feld gibt es viele unterschiedlich kritische Stellen von den offensichtlichen Hindernissen wie Masten von beispielsweise Hochspannungsleitungen oder Windkraftanlagen bis hin zu durch den Bestand schwieriger zu sehenden in den Feldern installierten Beton-Schächten, dickes Geäst von Bäumen an den Feldrändern oder Steinen. Zudem können sehr nasse Stellen auf dem Feld auftreten, in die der Mähdrescher hängen bleiben könnte, sodass diese ebenfalls umfahren werden sollten. Im Rahmen des it’s OWL Projektes Elektronische Umfelderkennung bei Erntemaschinen wurde diese Herausforderung in Zusammenarbeit zwischen CLAAS und der Uni Bielefeld im it’s OWL Cluster detailliert beschrieben und mit verschiedenster Sensorik untersucht.

Des Weiteren sollte der Fahrer darauf achten, dass das Schneidwerk über seine Breite möglichst viel Erntegut aufnimmt und der Erntemaschine zuführt, ohne diese zu verstopfen. Dafür muss er zum einen passend an der Bestandskante entlang lenken und zum anderen die Geschwindigkeit des Mähdreschers der Menge des auf dem Feld stehenden Ernteguts anpassen. Gleichzeitig sollten die Pflanzen möglichst tief abgeschnitten werden. Dazu muss das Schneidwerk knapp über den Boden geführt werden, weshalb der Fahrer auch auf größere Unebenheiten des Bodens achten muss, sodass kein Boden vom Schneidwerk aufgenommen wird.

Die dritte große Aufgabe ist die Beobachtung der Erntemaschine selbst. Dabei muss der Fahrer darauf achten, dass die Erntemaschine nicht zu viele Körner verliert (Kornverluste) und diese zugleich bestmöglich reinigt. Dafür muss der Fahrer sämtliche Messdaten der Erntemaschine im Blick behalten und notfalls Anpassungen an den Einstellungen vornehmen.

CEMOS (CLAAS elektronisches Maschinen-Optimierungssystem) ist die Automatisierung des Mähdreschers. Sie ist eine Zusammenführung mehrerer Automaten, die die Einstellungen des Mähdreschers in Abhängigkeit der Fruchtart und der aktuellen Feldbedingungen optimieren. Dabei gibt es verschiedenste Lenk- und Fahrassistenten und mehrere einzelne Automaten für das Schneidwerk, das Dreschaggregat, die Abscheideeinrichtung, die Reinigung und die Strohverteilung.

CEMOS ist damit eine enorme Entlastung für den Fahrer. Dennoch muss der Fahrer das Verhalten des Mähdreschers und der Automaten weiterhin beobachten. Aufgrund der verschiedensten Erntebedingungen müssen für die Automatisierung regelmäßig Kalibrierungen durchgeführt und somit Parameter des Mähdreschers an das Feld regelmäßig angepasst werden.

Was macht nun InSensEPro?

Um als Automatisierung die Einstellungen der Erntemaschine optimal einstellen zu können, muss CEMOS über den aktuellen Zustand des Ernteprozesses Bescheid wissen. Diese Informationen liefert die Prozesssensorik, die an verschiedenen Stellen in der Erntemaschine Messungen des aktuellen Ernteprozesses durchführt.

Bisher ist die Sensorik sehr punktuell ausgerichtet. Zwischenverläufe über den Prozess werden von der Sensorik noch nicht erfasst. Diese müssen abgeschätzt werden, wodurch es jedoch in Abhängigkeit von den Feldbedingungen zu Fehlabschätzungen kommen kann. Aus diesem Grund muss der Fahrer regelmäßige manuelle Kontrollen und Kalibrierungen durchführen. Diese sind jedoch sehr aufwendig, wodurch sie den Fahrer zusätzlich stark belasten.

Das Ziel in InSensEPro ist, durch den Einsatz eines in der Erntemaschine verteilten Sensornetzwerks eine möglichst umfassende Prozessbeobachtung zu entwickeln. Dabei sollen verschiedenste Techniken aus dem Bereich des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz untersucht werden, von einfachen logistischen Regressions-Ansätzen über Clustering Verfahren bis hin zum Einsatz von Neuronalen Netzen. Dabei wollen wir die Möglichkeiten der einzelnen Methoden testen und miteinander vergleichen. So möchten wir schließlich für die idealen Methoden die optimalen Messpositionen bestimmen, die die Realisierung eines möglichst effizienten Sensornetzwerks ermöglichen.

Im Hinblick auf den Umfang des Sensornetzwerks und ggf. mit Kabeln schwer zugänglichen Sensorpositionen ist es ein weiteres Ziel von InSensEPro, drahtlose Kommunikations-methoden zur Übertragung der Sensordaten innerhalb des Mähdreschers in Form einer Machbarkeitsstudie zu untersuchen. Hierbei soll herausgefunden werden, inwieweit drahtlose Kommunikation überhaupt möglich ist und wie effizient im Hinblick auf Übertragungsgeschwindigkeit, Signalstärke, Fehleranfälligkeit und Energiebedarf diese ist.

In der Untersuchung der Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz werden CLAAS und die Uni Bielefeld eng miteinander arbeiten. Die Uni Bielefeld untersucht zudem die Möglichkeiten der drahtlosen Kommunikation. Im Rahmen der Sensorik-Ausschreibung für das Sensornetzwerk konnten wir Müller-Elektronik als assoziierten Partner im Projekt willkommen heißen. Sie stellen die Sensorik für das Sensornetzwerk zur Verfügung und nehmen entsprechende sensorische Anpassungen vor.

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