Low-Code: Können wir bald alle programmieren?

Mit Low-Code-Plattformen sollen Expert:innen aus Fachabteilungen einfache Softwareanwendungen ohne tiefergehende Programmierkenntnisse eigenständig umsetzen können. In diesem Beitrag erklären wir die grundlegenden Konzepte hinter Low-Code-Development, sowie Chancen und Risiken für den praktischen Einsatz in Unternehmen.

Welche Vorteile bietet Low-Code-Development?

Programmieren mit Low-Code könnte eine technisch basierte Möglichkeit werden, den Fachkräftemangel im IT-Bereich zu adressieren. Dabei sollen Expert:innen aus Fachabteilungen (sog. “Citizen Developer”) in die Lage versetzt werden, einfachere Softwareanwendungen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen ohne tiefergehende Programmierkenntnisse eigenständig umzusetzen. In Abb. 1 ist die Implementierung einer Qualitätsprüfungsapplikation mithilfe von Microsoft Power Apps exemplarisch dargestellt. Mithilfe des Drag-&-Drop-Prinzips können interaktive Elemente wie z.B. Textfelder und Buttons auf der Benutzeroberfläche platziert werden. Die dazugehörigen Aktionen werden anschließend über Auswahlmenüs oder einfache Anweisungen vorgegeben.

 

Abbildung 1: Entwurf einer App mithilfe von Microsoft Power Apps. (Quelle: eigene Abbildung)

 

Low-Code-Development als Kombination bestehender Methoden

Das Low-Code-Paradigma kombiniert verschiedene Softwareentwicklungskonzepte, die sich in der Vergangenheit in ähnlicher Form bereits bewährt haben. Die Gestaltung von Benutzeroberflächen per Drag & Drop entstammt beispielsweise dem Rapid Application Development (RAD), mit welchem bereits in den 1980er-Jahren die Flexibilität von Softwareentwicklung erhöht werden sollte.

Die automatische Generierung von Quellcode aus Datenmodellen findet zudem ihren Ursprung in der modellgetriebenen bzw. generativen Programmierung. Außerdem bestehen Parallelen zum Cloud-Computing, da große Teile des Datenbestands und der Geschäftslogik in die Cloud verlagert und somit für Mitarbeiter und Kunden unabhängig von ihrem Standort als Service verfügbar gemacht werden.

Die Verbreitung von Low-Code-Anwendungen ist zuletzt rasant gestiegen, mittlerweile werden über 200 Plattformen für die Low-Code-Entwicklung angeboten. Nach Schätzungen von Forrester und Gartner wird der Markt für Low-Code-Anwendungen in diesem Jahr auf 21 Milliarden US-Dollar anwachsen [1].

Gartner prognostiziert außerdem, dass Low-Code-Plattformen bis 2024 an 65 Prozent der neu entwickelten Geschäftsapplikationen beteiligt sein werden [2]. Vor dem Hintergrund ist es interessant, sich mit den Vorteilen von Low-Code-Entwicklung zu beschäftigen, aber auch die aktuellen Herausforderungen ehrlich zu benennen.

Vorteile für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen

Mithilfe von Entwicklungsumgebungen, die von Fachexpert:innen bedient werden können, besteht das Potential, Kosten und Bereitstellungszeiten von betrieblichen Softwareanwendungen drastisch zu senken. Somit wird ein Lösungsweg aufgezeigt, wie die digitale Transformation in großen Teilen der Wirtschaft trotz mittel- und langfristiger Knappheit von IT-Expert:innen weiter vorangetrieben werden kann. Da für die Arbeit mit Low-Code-Plattformen kaum bis gar keine Programmierkenntnisse notwendig sind, wird der Kreis der potenziellen Nutzenden wesentlich erweitert.

Durch die Nutzung findet im Softwareentwicklungsprozess außerdem eine Arbeitsaufteilung statt: Einerseits sind Fachexpert:innen involviert, welche die Geschäftsprozesse kennen und diese unmittelbar softwaretechnisch umsetzen können, und andererseits IT-Expert:innen, die sich auf Spezial-Anforderungen und Schnittstellen-Themen in Bezug auf die bestehende IT-Infrastruktur konzentrieren können. Fachexpert:innen kennen die zu implementierenden Geschäftsprozesse selbst gut, somit kann es nicht zu Missverständnissen bei der Kommunikation von Anforderungen kommen. Außerdem arbeiten diese aufgrund ihrer fachlichen Position in der Regel eng mit den zukünftigen Nutzenden der Anwendung zusammen, sodass diese früh und kontinuierlich mit in die Konzeption der Anwendung einbezogen werden können.

 

Nachhaltige Softwareentwicklung mit Low-Code

 

Daraus lässt sich folgern, dass mehr und mehr Menschen am Softwareentwicklungsprozess beteiligt werden [3], und somit sowohl Fach- als auch Programmier-Expert:innen eine tragende Rolle bei der Erstellung von betrieblichen Anwendungen spielen. Potenziell wird eine Entwicklung vorangetrieben, die die Erstellung von Software aus dem Kompetenzbereich von einigen wenigen Expert:innen in die Mitte der Gesellschaft trägt.

Die zukünftige Entwicklung ist noch offen

Auf der anderen Seite benennen wissenschaftliche Veröffentlichungen wie von Woo auch offene Probleme und Grenzen der Anwendbarkeit von Low-Code: Bei der Integration von Low-Code-Anwendungen in die bestehende IT-Landschaft wird kaum ein Unternehmen ohne professionelle Softwareentwickler:innen auskommen. Zudem sind IT-Sicherheitsaspekte, sowie Mechanismen zur Qualitätssicherung bisher nur unzureichend untersucht worden.

Sahay et al. weisen zudem darauf hin, dass auch für die Benutzung der Plattform eine gewisse Einarbeitungszeit notwendig ist, welche umso länger ausfällt, wenn keine adäquate Dokumentation oder Tutorials zur Verfügung gestellt werden[4]. Fehlende Standards machen es zudem schwierig, zwischen verschiedenen Low-Code-Anbieter zu wechseln. Vor dem Hintergrund eines solchen „Vendor Lock-in“ sind Leitfäden zur Auswahl einer geeigneten Low-Code-Plattform sowie weitere methodische Maßnahmen zur Unterstützung von Citizen Developern notwendig, wie sie unter anderem im Projekt Pro-LowCode [5] durch ein Konsortium aus Forschungs- und Anwendungspartnern erarbeitet werden.

Im bisherigen Projektverlauf wurden Low-Code-Ansätze von den beteiligten Wirtschaftsunternehmen positiv aufgenommen: Grundsätzlich erscheint das Ziel realistisch, auch Mitarbeitenden ohne IT-Background an der Softwareentwicklung zu beteiligen. Inwieweit sich die Entwicklung verstetigt, größere Teile der Gesellschaft an digitalen Transformationsprozessen zu beteiligen, kann mit Spannung erwartet werden.

 

Das Innovationsprojekt ‚Pro-LowCode‘ ist 2021 gestartet wird bis zum 28. Februar 2023 im Spitzencluster it’s OWL umgesetzt. Ziel des Projektes ist es, technische, organisatorische und personelle Voraussetzungen für eine Anwendung von Low-Code-Plattformen in Industriebetrieben aufzuzeigen, ein methodisches und softwaretechnisches Rahmenwerk zu entwickeln und all dies prototypisch zu demonstrieren.

 

In den it‘s OWL Innovationsprojekten entwickeln Unternehmen und Forschungseinrichtungen gemeinsam neue Basistechnologien, wiederverwendbare Lösungsmuster und Softwarebibliotheken. Die Ergebnisse und Erfahrungen der Projekte fließen in die Innovationsplattform von it‘s OWL ein und werden für die Clusterunternehmen verfügbar gemacht. In den derzeit rund 20 laufenden Projekten geht es beispielsweise um Maschinelles Lernen, Plattformen, digitale Zwillinge und Systems Engineering.


[1] John R. Rymer, „The forrester wave: Low-code platforms for business developers Q2 2019“, Forrester Research, 2019.

[2] https://www.salesforce.com/blog/gartner-lcap/

[3] Woo, Marcus. „The rise of no/low code software development—No experience needed?.“ Engineering (Beijing, China) 6.9 (2020): 960.

[4] Apurvanand Sahay, Arsene Indamutsa, Davide Di Ruscio, Alfonso Pierantonio:

“Supporting the understanding and comparison of low-code development platforms”. SEAA 2020: 171-178

[5] https://www.its-owl.de/pro-lowcode

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